Späte Zwangsemigration ohne Perspektive: Alfred Hauptmann und Adolf Wallenberg

Zusammenfassung Wie Archivdokumente und weitere biografische Schlüsselzeugnisse zeigen, konnten Entlassung und Vertreibung aus rassistischer Motivation auch Neurologen in leitender klinischer Stellung und in fortgeschrittenem Lebensalter betreffen. Alfred Hauptmann (1881–1948), Entdecker der Phenoba...

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Published in:Nervenarzt Vol. 93; no. Suppl 1; pp. 42 - 51
Main Authors: Martin, Michael, Karenberg, Axel, Fangerau, Heiner
Format: Journal Article
Language:German
Published: Heidelberg Springer Medizin 01-10-2022
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Summary:Zusammenfassung Wie Archivdokumente und weitere biografische Schlüsselzeugnisse zeigen, konnten Entlassung und Vertreibung aus rassistischer Motivation auch Neurologen in leitender klinischer Stellung und in fortgeschrittenem Lebensalter betreffen. Alfred Hauptmann (1881–1948), Entdecker der Phenobarbital-Behandlung der Epilepsie, Ordinarius für Neurologie/Psychiatrie in Halle/Saale und Mitglied der Leopoldina, entschloss sich erst nach der sog. Reichspogromnacht im November 1938 und einer anschließend gegen ihn verhängten „Schutzhaft“ im Alter von 58 Jahren zur Ausreise in die Schweiz und kurz darauf in die Vereinigten Staaten. Adolf Wallenberg (1862–1949) hatte als „Self-made-Neurologe“ 1895 das später nach ihm benannte Syndrom beschrieben. Als in Praxis und Klinik tätiger Arzt forschte er auf neuroanatomisch-neurohistologischem Gebiet, bis die braunen Machthaber ihn aus seiner Wirkungsstätte in Danzig vertrieben. Über Großbritannien emigrierte er im Alter von 77 Jahren in die USA, ohne dort beruflich nochmals Fuß fassen zu können. Beide hier vorgestellten Ärzte eint, dass die Neurologie ihr Lebensinhalt war, sie sich ihrem Heimatland Deutschland patriotisch verbunden fühlten und nach der späten Emigration aber keine Perspektive mehr für sich sahen. An Hauptmann erinnert heute ein Preis für experimentelle und klinische Forschungen zur Epilepsie, an Wallenberg die gleichnamige Auszeichnung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) für hervorragende Forschungsleistungen auf den Gebieten zerebrovaskuläre Erkrankungen, Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel.
ISSN:0028-2804
1433-0407
DOI:10.1007/s00115-022-01313-2